
Baywatch Klinikum - 4 Caipis (und ein Capy) für ein Hallelujah - Teil 1
Sommer, Sonne, Sonnenschein.
Unser Doc entflieht dem Klinik-Alltag, um sich am Strand seiner wohlverdienten Erholung hinzugeben. Eiskaffee schlürfen und nichts tun, so hatte er sich das zumindest vorgestellt. Aber natürlich kommt es mal wieder, wie es kommen muss …
Unermüdlich brannte die heiße Sommersonne auf den Strand der karibischen Insel. Das Meer rauschte träge ein Stück in den Strand hinein und färbte den feinen Sand dunkler. Kinder rannten lachend durch das seichte Wasser, spielten Ball oder versuchten, gegen die Wellen anzuschwimmen. Die dazugehörigen Eltern lagen unweit auf Handtüchern und beobachteten, mal mehr, mal weniger interessiert, das bunte Treiben. Ab und an hörte man ermahnende Rufe oder sah ein besorgtes Familienmitglied los sprinten, um den Nachwuchs vor dem Ertrinken zu retten, wenn dieser sich zu weit hinaus gewagt hatte.
Trotz des Trubels lag Dr. Strangelove entspannt wie nie auf seiner Strandliege, im Schatten eines großen Sonnenschirms. Er döste vor sich hin, wobei er nur selten kurz die Augen öffnete und einen Blick auf sein Umfeld warf. Meistens, wenn jemand zu nah an ihm vorbeiging oder ein Kind besonders laut schrie. Aber dann schloss er die Augen auch schnell wieder. Am Ende war es ein Notfall und er musste helfen - dabei hatte er doch Urlaub.
Ja richtig gehört: Er, Dr. Hans-Dieter Jürgen Wurstbrot Strangelove, hatte zum ersten Mal seit Jahren wieder richtigen, langen Urlaub, weit weg von der Arbeit und zu Hause. Drei Wochen konnte er nun an diesem Strand verbringen, sich die Sonne aufs Fell scheinen lassen und Cocktails schlürfen, ohne dass ihn jemand störte. Noch vor ein paar Wochen hätte er im Leben nicht daran geglaubt, dass dieses Wunder wirklich geschehen würde.
Zwei Monate zuvor hatte er in der Kantine des Klinikums gesessen, vor sich einen heißen Becher Kaffee und ein großes Stück von Lurchis Bananenbrot. Während er genüsslich kaute, streifte sein Blick das bunte Prospekt, das unweit auf dem Tisch unter der aktuellen Tageszeitung lag. Darauf waren Urlaubsangebote abgebildet, welche Ruhe und Entspannung für wenig Geld versprachen. Aus einer Laune heraus sah der Doc sich den Flyer genauer an und blätterte durch die Angebote. Busreisen schloss er direkt aus, vor der Rente würde ihn niemand dazu bringen und wer wusste schon, ob er die überhaupt noch erleben würde. Zugreisen waren jetzt auch nicht unbedingt reizvoll, zumindest nicht so lange man diese in Deutschland beginnen musste. Und da er auch kein Auto hatte, blieb wohl nur eine Reise mit dem Flugzeug. Bergwanderungen, Fahrradtouren, Abenteuer… machte denn wirklich niemand mehr Urlaub zur Entspannung?
Gerade als er das Prospekt entnervt weglegen wollte, blieb sein Blick an einer kleinen Anzeige ganz unten auf der letzten Seite hängen. 3 Wochen Erholungsurlaub auf einer kleinen, karibischen Insel. Hotel direkt am Strand, Blick aufs Meer und all inclusive. Und das tatsächlich zu einem erschwinglichen Preis. Strangelove hatte seit Jahren keinen richtigen Urlaub mehr gemacht. Hatte er überhaupt die Zeit dazu? Er wurde hier ja gebraucht. Wie auf ein Zeichen, drang der Lärm mehrerer Explosionen vom Gang her an sein Ohr. Kurz darauf schrillte der Feueralarm durch die Klinik und man hörte eine Durchsage: “Achtung! Bitte die Katastrophenöffnungszeiten beachten! Wir schließen diese Klinik nun ab!”
Der Doc schnappte sich das Prospekt, stopfte es in seine Kitteltasche und eilte aus der Kantine. Den vollgekrümelten Teller und die leere Kaffeetasse ließ er dabei einfach auf dem Tisch zurück.
Danach ging alles ganz schnell. Als Erstes buchte er die Reise, inklusive Flug und allem was dazu gehörte. Danach reichte er seinen Urlaub bei der Klinikleitung ein - also sich selbst, welchen er natürlich großzügig bewilligte. Anschließend versuchte er, die restliche Zeit in der Klinik so unbeschadet wie möglich zu verbringen. Und dann packte er auch schon seine Sachen und stand einen Tag später am vollen Flughafen. Wie jeder gute Deutsche war er natürlich etliche Stunden vor Abflug im Gebäude, hatte elektronisch eingecheckt und bereits alle Sicherheitskontrollen passiert. Jetzt nur noch - er schaute auf die Uhr - drei Stunden, bis er ins Flugzeug durfte. Koffer musste er keine abgeben. Er reiste ausschließlich mit Handgepäck. Was brauchte so ein Capybara auch schon?
Nun saß er entspannt mit einem großen Kaffee im Wartebereich und beobachtete das Treiben. Ähnlich wie er waren noch einige andere Flugreisende zeitiger als nötig eingetroffen. Einige unterhielten sich oder schliefen. Andere liefen herum, um sich die Beine zu vertreten. Und auffällig viele ältere Männer standen, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, vor der großen Glasscheibe, die den Blick auf das Rollfeld freigab. Draußen sah man Flugzeuge landen und abheben. Aber vor allem beäugten die Herrschaften das Bodenpersonal, welches mit der Wartung und Abfertigung der Flieger beschäftigt war. Dabei nickten sie alle hin und wieder oder schüttelten die Köpfe, als hätte auch nur irgendeiner von ihnen Ahnung, was da draußen geschah.
“Hallo, junger Mann! Ist hier noch frei?”, riss ihn eine Stimme von der Seite aus seinen Beobachtungen. Neben ihm stand eine ältere Dame in einem geblümten Kleid und einem kleinen, grünen Rollkoffer.
Der Doc bedeutete der Frau, dass der Platz neben ihm noch frei war. Es kam ihm allerdings schon suspekt vor, dass sie sich ausgerechnet neben ihn setzen musste. Es waren noch genügend Plätze frei und sie hätte sich auch für einen entscheiden können, ohne mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Da bemerkte der Doc seinen Fehler. Das konnte nur bedeuten…
“Ach danke schön. Das ist sehr lieb von Ihnen. So nette Menschen trifft man ja heute wirklich nicht mehr. Nee, wirklich nicht. Also die sind immer alle sehr unhöflich, auch gerade zu älteren. Können Sie sich das vorstellen? Haben die denn keine Großeltern? Sind die zu denen auch so? Also meine Enkel nicht. Nee. Die sind zwei anständige Kinder. Immer höflich und lieb. Aber das ist ja auch alles Erziehung. Da muss man schon bisschen was vermitteln, damit die so werden. Kann man ja nicht hoffen, dass das alles von alleine kommt. Nee, kann man nicht. Haben Sie denn Kinder? Ach Mensch. Das ist aber auch eine private Frage, ne? Müssen Sie auch nicht beantworten.”
Und sie redete weiter und weiter und weiter. Dr. Strangelove war allerdings zu höflich, um die Dame abzuwürgen und dann doch zu nett, um einfach aufzustehen und wegzugehen. Er blieb also einfach da sitzen und versuchte aktiv wegzuhören. Leider nickte er aber aus Reflex ab und zu, während die Oma erzählte, was diese als Erwiderung der Konversation verstand und weiter redete.
Nach einer schieren Endlosigkeit wusste er nun die komplette Lebensgeschichte der alten Frau, die all ihrer Kinder und Enkelkinder und bestimmt noch irgendwas, aber er war zwischendurch ein wenig gedanklich abgedriftet. Die Rettung aus seiner Misere war die Dame am Schalter, die nun das Gate öffnete, um die Reisenden ins Flugzeug zu lassen. Sofort sprang der Doc auf, schnappte sich seinen Koffer und rannte los, während er der Oma noch eine hastige Verabschiedung zuwarf. Und schon war er durch die letzte Kontrolle und auf dem Weg in den Flieger.
Nachdem er höflich die Begrüßung des Bordpersonals erwidert hatte, suchte er seinen Sitzplatz. Er hatte extra einen am Fenster mit viel Beinfreiheit reserviert. Er fand ihn auf Anhieb, verstaute sein Gepäck in der Ablage und machte es sich bequem. Dann sah er aus dem Fenster, während die anderen Reisenden herein strömten. Kurz bevor alle Sitzplätze besetzt waren und der Doc sich schon in dem Glück wähnte, einen freien Platz neben sich zu haben, ertönte ihm eine leider nur allzu bekannte Stimme vom Gang her:
“Ach Sie auch in diesem Flieger? Na das ist ja ein Zufall!”
Die ältere Dame aus dem Wartebereich schob sich in sein Blickfeld.
“Und Sie sitzen auch hier. Mensch, das ist aber schön! Dann können wir uns ja noch weiter unterhalten! Helfen Sie mir doch mal eben bitte mit meinem Koffer, ja?” und schon wuchtete sie ihren Koffer so kraftvoll in des Capybaras Magengrube, dass diesem kurzzeitig der Atem wegblieb. Nach Luft ringend kam er ihrer Bitte nach und hob ihr Gepäck ebenfalls in die Ablage über ihnen. Dann ließ er sich auf seinen Sitz zurückfallen, während die Gesprächige neben ihm Platz nahm.
“Ach ich bin ja immer so aufgeregt beim Fliegen. Da beruhigt es mich, wenn ich manchmal aus dem Fenster schauen kann. Darf ich mal?”
Ehe der Doc etwas sagen konnte, hatte sie sich schon einmal quer über ihn drüber gebeugt und schaute aus dem kleinen Fenster. Er ließ es einfach geschehen und versuchte an seinen bevorstehenden Urlaub zu denken. Es konnte ja schließlich nicht alles so unangenehm bleiben, sondern musste auch irgendwann mal wieder besser und vor allem erholsamer werden.
Die ältere Dame schwatzte weiter munter vor sich hin, während das Flugzeug nun endlich abhob. Langsam dämmerte Strangelove in einen Schlafzustand über. Und so hörte er auch die Oma neben sich nicht mehr.
Ein energisches Tippen am Oberarm holte ihn unsanft aus dem Schlaf zurück. Er hatte keine Ahnung, wie lange er geschlafen, oder wie viel Strecke das Flugzeug bereits zurückgelegt hatte. Verwirrt sah er aus dem Fenster, doch dort war nichts zu sehen außer blauem Himmel, ein paar weißen Wolken und sehr viel Wasser unter ihnen. Das Tippen verwandelte sich nun in die ältere Dame, die ihr Gesicht in das Sichtfeld des Docs schob.
“Junger Mann, die Dame möchte wissen, ob sie etwas trinken wollen!”
Das Capybara versuchte auf dem begrenzten Raum etwas von der Dame wegzudrücken und schaute an ihr vorbei in den Gang. Dort stand eine Flugbegleiterin mit einem Wagen voller Getränke. Noch völlig verwirrt vom abrupten Ende seines Schlafes sagte er: “Äh… Kaffee?”
"Oh, das tut mir Leid. Der ist bereits alle. Ich werde sofort Neuen kochen, aber das wird einige Zeit dauern”, sagte sie mit hörbarem Bedauern in der Stimme.
"Nein, schon gut!”, rief der Doc schnell. Das Letzte, was er wollte, war noch irgendjemandem Umstände bereiten.
“Ich nehme einfach eine Cola.”
Lächelnd nickte die Stewardess und reichte ihm eine kleine Flasche vom Wagen. Er nahm sie entgegen, bedankte sich und wartete, bis sich die Flugbegleiterin entfernt hatte.
“Wollen Sie die denn jetzt gar nicht trinken?”, fragte die ältere Dame neben ihm neugierig, während sie an ihrem Orangensaft nippte.
“Doch doch”, sagte Strangelove.
“Ach die jungen Leute mit ihren süßen Getränken immer. Cola mochte ich ja noch nie. Kohlensäure ist ja auch nicht mehr so gut für den Magen in meinem Alter. Da bekommt man direkt Sodbrennen. Nee nee.”
Das Capybara versuchte sehr konzentriert wegzuhören, was die Frau neben ihm erzählte. Aber es lenkte ihn doch zu sehr ab. So öffnete er die Colaflasche doch etwas schneller als beabsichtigt. Normalerweise wäre das kein Problem gewesen, aber diese Flasche musste wohl beim Start des Flugzeugs so durchgerüttelt worden sein, dass der Inhalt nun schlagartig nach oben stieg und sich explosionsartig auf dem Doc und der Oma neben ihm verteilte. Auch die vor ihm befindlichen Sitze bekamen etwas ab.
Für einen kurzen Moment war es sehr still und man hörte nur das leise Tropfen der Cola, welche von diversen Dingen auf den Boden rann. Strangelove hatte sofort die Augen geschlossen und traute sich auch nicht, diese wieder zu öffnen. Vielleicht hatte er sich alles nur eingebildet und das war nicht passiert. Doch auch diese Hoffnung wurde je zunichte gemacht, als die ältere Dame neben ihm fröhlich sagte: “Ach junger Mann, so sehr hat sich ja schon lange keiner mehr gefreut in meiner Gesellschaft zu sein.”
Er öffnete die Augen und starrte sie an, während sie ihm schelmisch zuzwinkerte.
“Fräulein!”, rief sie direkt durch das ganze Flugzeug, “Wir brauchen bitte ein paar Servietten. Hier gab es einen kleinen Unfall.”
Der Doc wäre am liebsten vor Scham aus dem Flieger gesprungen. Ohne Fallschirm.
Während sich nun alle anderen Fluggäste zu ihnen umdrehten und der Stewardess dabei zusahen, wie sie mit einem Stapel Papierhandtücher durch den Gang eilte, plapperte die Oma weiter munter vor sich hin: “Hätte mir doch nur jemand gesagt, dass ich in der Karibik auch noch einen Regenmantel brauchen werde. Ach, jetzt schauen Sie nicht so, das ist doch kein Weltuntergang! Es ist schon lange her, dass sich ein Mann SO sehr über meine Anwesenheit gefreut hat, dass er sein - “
Hastig griff der Doc nach den Papierhandtüchern, die die Flugbegleiterin ihm reichte und beendete so den Wortschwall seiner Nachbarin. Eilig wischte und tupfte er sich und die Sitze vor ihm sauber.
"Oh, wenn Sie einmal dabei sind, können Sie hier gleich weitermachen!” und die ältere Dame deutete mit einem verschmitzten Lächeln auf die Colaflecken auf ihrem Sommerkleid. Mit versteinerter Miene sah der Doc sie für ein paar Sekunden an. Dann warf er ihr ein paar der Servietten in den Schoß und drehte sich weg. Für den Rest des Fluges schaute er stoisch aus dem Fenster, in der Hoffnung, dass dieses Ereignis das letzte furchtbare seines Urlaubs gewesen war.
Nach einer schieren Endlosigkeit setzte das Flugzeug zur Landung an. Eigentlich wollte der Doc so schnell wie möglich die Maschine verlassen, doch die ältere Dame brauchte so unendlich lange, um alle ihre Habseligkeiten zusammenzusuchen, dass er gezwungen war, so lange zu warten, bis sie endlich bereit war, den Weg frei zu machen. Der Rest war Gott sei Dank recht ereignislos. Auch wenn die Security am Flughafen den Doc etwas misstrauisch musterten, ob der vielen hellbraunen Cola-Flecken auf seiner Kleidung.
Doch nach einer kurzen Busfahrt stand er endlich in der Lobby seines Hotels. Der Mitarbeiter am Empfang händigte ihm seine Zimmerkarte aus und verwies auf den Fahrstuhl, welcher ihn in die oberen Stockwerke bringen sollte. Dort angekommen, fand er sein Zimmer und begab sich als erstes unter die Dusche, um die Rückstände des klebrigen Getränks loszuwerden. Mit glänzendem Fell und sauberen Klamotten verließ er das Bad und betrat den kleinen Balkon, der zu seinem Zimmer gehörte. Sein Blick fiel auf einen fast weißen Sandstrand, gesäumt von zahlreichen Palmen, die etwas Schatten spendeten. Obwohl der Doc den Urlaubszeitraum bewusst nach der Hauptsaison gewählt hatte, tummelten sich unzählige Badegäste in den Wellen, welche sanft den Sand umspülten. Trotz der vielen Menschen war der Geräuschpegel recht niedrig bei geöffneten Fenstern.
Erleichtert hielt das Capybara seine Nase in den sanften Wind, welcher eine angenehme Brise Meeresduft zu ihm wehte.
Er schlüpfte in seine rote Badehose, packte eine kleine Strandtasche und verließ sein Hotelzimmer in Richtung Strand. Und so sollte ab jetzt jeder Tag für die nächsten Wochen aussehen.
Müde blinzelte Dr. Strangelove in das helle Licht, das ihn trotz Sonnenschirms blendete. Wie lange er wohl schon hier gelegen hatte? Sein Fell fühlte sich auf jeden Fall sehr warm an und er hatte schrecklichen Durst. Unweit sah er einen Strandimbiss mit dazugehöriger Bar. Er setzte seine Sonnenbrille auf und tippelte auf flinken Pfoten durch den heißen Sand. An der kleinen, bunt gestrichenen Bude, mit ebenso gestreifter Markise, studierte das Capybara aufmerksam das ausgeschilderte Angebot. Cola fiel aufgrund jüngster Ereignisse aus und am besten auch sonst alles mit Kohlensäure. Für Kaffee war es eigentlich zu heiß… aber gegen einen Eiskaffee war ja nichts einzuwenden. Er drehte sich zum Fenster, um seine Bestellung aufzugeben und erstarrte. Aus dem Laden heraus schaute ihn ein allzu bekanntes Gesicht an: Lapi, der große, stets fröhliche Sumo aus der Klinikums-Küche stand vor ihm und lächelte ihn an.
“Oh Doc, Sie auch hier? Schön Sie zu sehen!” rief er heiter und winkte dem nach wie vor verdutzten Chefarzt zu. Dieser schaute sich schnell um, ob nicht doch irgendwo eine versteckte Kamera lauerte.
“Was kann ich für Sie tun? Einen Kaffee?” und der Sumo griff bereits zu einer großen Edelstahlkanne.
“Äh… Eis?” stammelte der Doc, noch unfähig wieder klar zu denken oder strukturierte Sätze zu formulieren.
Lapi nickte und machte sich daran, einen Eiskaffee zusammenzumixen.
“Was machen Sie hier?”, brachte Strangelove schließlich hervor.
Geschickt landeten Eis und Kaffee in einem großen Becher, gefolgt von etwas Sahne und Kakaopulver. Inklusive Edelstahlstrohhalm, wanderte das Getränk über die Ladentheke.
“Geht aufs Haus!” sagte der Sumo freundlich und nickte dem Doc zu.
“Ich arbeite in meinem Urlaub häufig auswärts. Das Lokal gehört einem entfernten Verwandten. Dafür, dass wir im Strandkiosk aushelfen, dürfen wir kostenlos hier wohnen und Urlaub machen.”
“Wir?” fragte der Doc, während er einen Schluck seines Eiskaffees genoss.
Da schob sich ein weiteres bekanntes Gesicht in den Fensterrahmen.
“Hallo Doc!” rief Lurchi heiter, ein Glas in der Klaue, dessen Inhalt verdächtig nach Erdbeer-Limes aussah. Vor guter Laune stiegen ihr kleine Rauchkringel aus den Nüstern.
Da durchfuhr es Strangelove plötzlich wie ein Blitz: Wenn Lurchi hier ist, dann bedeutete das…
“Moinibert!”, rief es wie auf Kommando aus Richtung der Bar. Natürlich: da saß Bergy, mit Hawaii-Hemd, Sonnenbrille und offensichtlich bester Laune. Er prostete dem Capybara mit einem Cocktail zu. Neben ihm, die Füße in einer Schüssel mit Wasser und ebenfalls an einem Getränk nippend, befand sich Laborant Coldblood.
Strangelove schaute irritiert zwischen den beiden hin und her.
“Sollte ich mich wirklich wundern, warum Sie hier sind?” sagte er schließlich an Bergy gewandt.
Dieser ließ sein schallendes Lachen ertönen.
"Oh, meiner Familie gehört ein kleines Ferienhaus etwas oberhalb vom Strand. Hat uns seinerzeit meine Oma verkauft! Ich hatte ohnehin Urlaub. Und Coldi hier mixt hervorragende Cocktails, deshalb habe ich gefragt, ob er mitkommen will.”
Der Echsenmann nickte nur, während er weiterhin seine ganze Aufmerksamkeit, sichtlich zufrieden, dem Getränk in seiner Hand widmete.
Das war nun genau, was der Doc NICHT gewollt hatte.
“Na so ein Zufall aber auch”, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen und versuchte stark sich nicht anmerken zu lassen, dass er nicht besonders erfreut darüber war.
“Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich habe noch eine Verabredung.”
Bergys Grinsen wurde breiter: “Oho! Mit wem denn, wenn man so frech fragen darf?” und er zwinkerte dem Doc zu.
“Mit meiner Strandliege”, gab der Doc eisig zurück, “Allein.”
Damit ging er mit seinem Eiskaffee, in dem schon fast alles Eis geschmolzen war, zurück zu seinem Platz unter dem Sonnenschirm. Passiv-Aggressiv warf er sich auf seine Strandliege und schlürfte laut an seinem Getränk. Er konnte spüren, wie auch der letzte Rest Erholung aus seinem Körper gewichen war. Natürlich war ihm klar, dass er auch am anderen Ende der Welt nicht sicher vor irgendwelchen Verrückten war. Aber es hätten zur Abwechslung ja auch mal andere Verrückte sein können. Und nicht welche, die er auch noch kannte. Jetzt würde er die ganze Zeit daran denken müssen, dass diese Personen auch alle hier waren und sich ständig beobachtet fühlen. Und so wie er sie alle kannte, würden sie vermutlich auch immer irgendwas von ihm wollen. Vielleicht würde er später fragen, ob es nicht die Möglichkeit gäbe, das Hotel zu wechseln. Oder das Land.
Er setzte sich seine mitgebrachten Kopfhörer auf, um ein wenig auf andere Gedanken zu kommen. Zudem schob er sich noch seine Sonnenbrille auf die Nase.
Leise begann die Musik zu spielen:
Langsam löste sich seine schlechte Laune. Er würde sich nicht von den anderen den Urlaub kaputt machen lassen. Er würde schön für sich bleiben und mit niemandem reden. Am besten gleich alle ignorieren. Nur manchmal bei Lapi einen neuen Eiskaffee holen, denn der schmeckte ausgezeichnet, wie der Doc zugeben musste.
Everything's great, everything sucks
I don't even care, I care too much
1, 2, 3, oh fuck
Fake a happy face and run!
Ein Gefühl von Trägheit überkam ihn. Die Sonne schien weiterhin unerbittlich am nahezu wolkenlosen Himmel. Ab und an streifte eine leichte Brise angenehm durch das Capybara-Fell und das Kondenswasser seines Eiskaffee-Glases tropfte auf seine muskulöse Brust, wo es ein kurzes, kühlendes Gefühl hinterließ. So ließ es sich dann doch ganz gut aushalten am Strand. Vielleicht würde er nachher auch mal seine Pfoten ins Wasser tauchen. Außerdem überlegte der Doc, ob er sich nicht nachher doch noch, an einem der Verkaufsstände am Strand, einen Sonnenhut zulegen sollte.
Er lauschte weiter einem Song nach dem anderen, die von seiner Playlist abgespielt wurden. Gelegentlich summte er mit, wenn ihm einer besonders gut gefiel und schloss dabei die Augen.
All I ask for
Is another chance
All I ask for
In solch einem Moment schob sich ein Schatten zwischen ihn und die Sonne. Langsam öffneten sich seine Lider.